Deutschland, Deutschland, über alles

Ein saftiger Schweinsbraten lacht von einem Bett aus dampfenden Kartoffelpüree. Der Duft von Sauerkraut liegt in der Luft, und Stefan nimmt einen großen Schluck von der Halben Weihenstephaner. Jakob kaut zufrieden auf einer Brezel herum. Die deutsche Bratwurst beeindruckt ihn weniger.

Wir sitzen im Biergarten vom „Haus“ in Hahndorf und dank deutscher Effizienz steht bereits fünf Minuten, nachdem wir bestellt haben, unser Essen vor uns. Die Bäume, die die Hauptstraße säumen, färben bereits in's Rote um. Vom Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite weht die Deutschland-Fahne, wenige Meter weiter werden Kuckucksuhren verkauft, an denen sich Jakob kaum sattsehen kann.

Hahndorf liegt eingebettet in den lieblichen Hügeln südlich von Adelaide in South Australia. Das 5.200-Seelen-Dorf ist dank seiner interessanten Geschichte ein Touristenmagnet und auch an diesem Montag sind die Restaurants, Cafés und Shops gut gefüllt.

1835 unternahm der Direktor einer örtlichen Firma die beschwerliche Reise nach London, um dort Arbeitskräfte anzuwerben, die bereit waren, nach Südaustralien zu übersiedeln. In England war er wenig erfolgreich, aber das Glück war auf seiner Seite. Eine Gruppe deutscher Lutheraner, die im damaligen Preußen verfolgt wurden, war auf der Suche nach sichereren Gefilden. South Australia unterstützte die Umsiedelung nicht nur finanziell, sondern pflanzte auch 300 Ulmen, Platanen und Kastanienbäume, um ein „deutsches Ambiente“ zu schaffen und den Lutheranern die Eingewöhnung einfacher zu machen.

Fährt man durch die immer noch bestehende Allee in das Dörfchen aus schmucken Steinhäusern, kann man sich für einen Moment tatsächlich nach Deutschland versetzt fühlen. Auf den ersten Blick fallen die Deutschland-Flaggen in's Auge, die Adler-Wappen an den Hausmauern, die Schilder, auf denen „German Sausages, Pork Hock, Kassler Chop, Pretzel, Strudel“ angepriesen werden. Das „Haus“ bietet sechs verschiedene Weihenstephaner Biere vom Fass an, das „German Arms Hotel“ setzt auf die Konkurrenz und verkauft Hofbräu. In Holztrögen am Straßenrand wachsen die typischen Zierblumen, die im deutschsprachigen Raum die Balkone verschönern: Rote Geranien, weiße Petunien, gelbe Studentenblumen, rosafarbene Fleißige Lieschen.

Erst auf den zweiten Blick bröckelt die Fassade. Während das Weihenstephaner schmeckt, wie es schmecken soll, werden als alkoholfreie Alternativen ausschließlich Cola, Fanta & Co angeboten. Nach gespritztem Apfelsaft oder Hollersaft sucht man auf der Karte vergeblich. Die Breze wird (zu Jakobs großer Freude) mit Ketchup serviert. Für Vegetarier gibt es hier keine gebackenen Champignons oder Kasspätzle, sondern einen asiatischen Salat (auf Wunsch mit lokalen Garnelen). Das „tasting platter“, auf dem neben einer Breze auch einige Räder geschnittener Würste (Bratwurst, Weißwurst, Käsekrainer) auf Schaschlik-Spießen angeboten werden, gäbe es so wohl in keinem bayerischen Wirtshaus. Und wir sind uns auch ziemlich sicher, dass eine Schweinshaxe um umgerechnet 32 Euro in München zu einer Revolte führen würde. Die Kuchen schauen zwar genauso aus wie eine Schwarzwälder Kirschtorte (Jakob), Apfelstreusel (Stefan) und Bisquitkuchen (ich), schmecken aber nicht annähernd so gut wie die Originale aus den heimischen Bäckereien - oder noch besser: der Kuchen von Oma.

Fazit: Hahndorf ist einen Besuch aus nostalgischen Gründen wert. Die Jungs genießen das deutsche Mittagessen und ich freue mich darauf, den erstandenen Vanillepudding zuzubereiten (nein, Puddingpulver gibt es in Australien nicht). Für Touristen, die mit dem deutschsprachigen Raum weniger vertraut sind, muss sich Hahndorf anfühlen wie ein Ausflug in eine andere Welt. Und man sieht an den strahlenden Gesichtern, dass Weißwurst- und Bratwurstscheiben am Spieß für einen Moment richtig glücklich machen können!

Stilechte Wandkunst im "Haus".
Weihenstephaner vom Fass lässt Stefans Herz höher schlagen.
Und es schmeckt - genauso wie zu Hause!
Schweinsbraten mit Erdäpfelpüree, Sauerkraut und jede Menge Saft.
Deutsche Speisekarte an den australischen Geschmack angepasst.
Geranien und Petunien zieren das German Arms Hotel.
Im "Christmas Shop" werden neben Nussknackern und Lichterbögen auch Kuckucksuhren angeboten.
Stilechten "Weihnachts-Kitsch" gibt es hier das ganze Jahr über.
Dank unterschiedlich gesetzter Uhrzeiten hört man immer wieder den Kuckuck.
Es können nie zu viele Flaggen sein!
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